in Beziehungen mit einem Narzissten.
Fast jeder ist schon mal einem Narzisten begegnet. Narzissten sind Menschen, die weder wahres Mitgefühl noch Emphatie empfinden. Zu Beginn der Beziehung sind sie in der Regel überaus charmant, sodass man sich schnell von ihnen bezirzen lässt. Die Zerstörungsmechanismen eines Narzissten sind jedoch so subtil und versteckt, dass man sie hinter der fröhlichen und weltoffenen Fassade nicht gleich erkennt. Die Schwierigkeit besteht darin, dass wir geblendet sind von ihren positiven Vorzügen, ihrem Witz und ihrer Spontanität. Wir öffnen ihnen unsere Seele und wir lassen uns auf sie ein. Doch nach und nach kommen die verbalen Angriffe in Form von herablassenden, ironischen Kommentaren oder Bemerkungen, die abwertend sind und verunsichern.
Nennen wir den Narzissten an dieser Stelle einfach den Angreifer und das Opfer den Angegriffenen, denn sobald die Beziehung sich gefestigt hat, geht die unterschwellige Zerstörung los – oft auch wenn zu viel Nähe entsteht.
Tatsachen werden ins Gegenteil verkehrt, Sätze werden einem im Mund umgedreht und der Angreifer hat immer das letzte Wort. Der Angegriffene beginnt, an sich selbst zu zweifeln und stellt sogar seine eigenen Aussagen in Frage. Mit großer rhetorischen Begabung und Verwendung weiser Sprüche gepaart mit einer unbeirrbaren Ratio schwächt der Narzist nach und nach das gesunde Selbstwertgefühl seines Gegenübers. Nur, um sich selbst nicht als schwach zu empfinden.
Mit seiner scheinbaren Selbstsicherheit bringt er Dinge so hervor, dass man nicht wagt zu widersprechen und seine Wahrheit als die eigene übernimmt. Er gibt erst eine Diskussion auf, wenn er sich als Sieger fühlt oder wenn er fluchtartig den Raum verlässt. Alle Anderen sind schuld – immer! Er ist das Opfer! Der Andere hat ihn provoziert, der Andere zieht ja eine Fresse, der Andere hat immer schlechte Laune, der Andere, der Andere, der Andere ist SCHULD!
Der Angegriffene verliert mit der Zeit durch die vielen kleinen Verletzungen, Sticheleien, Herabsetzungen, Beleidigungen, böse Blicke und die kalte Art seinen inneren Halt, wird somit destabilisiert und findet keine Orientierung mehr im Leben. Mit dieser Art und Weise zerstören die Narzissten jene Menschen, die eigentlich sonst lebensfroh, positiv und stabil sind, und berauben sie um ihre Identität. Die Betroffenen zweifeln am eigenen Verstand und leiden im Stillen, denn dieser schädliche Umgang tritt nur zutage, wenn niemand dabei ist. Nach außen hin wird eine fröhliche, gutgelaunte und zuvorkommende Maske getragen. Das Umfeld wird genauso manipuliert und das Opfer verliert das Gefühl einer gesunden Wahrnehmung, was (A) die eigenen Grenzen betrifft, (B) die eigenen Fähigkeiten und (C) die Fähigkeit, eine Grenze aufzuzeigen und zu sagen: Hier ist STOPP!
Weil es so subtil und schleichend geschieht, bemerken die Betroffenen es leider erst dann, wenn der Körper die ersten Spuren der Abwehr zeigt. Symptome wie Beklommenheit, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Unterleibschmerzen, Reizbarkeit, Burnout… und die Unfähigkeit, irgendjemandem genau zu erklären, was der Angreifer denn tut. Wie soll man denn auch einen bösen Blick oder herabsetzende und mit schwarzem Humor bespickte Kommentare als verletzend beschreiben? Die Reaktion der Außenwelt ist im Regelffall wie folgt: „Na, übertreibst du da nicht etwas?“ oder „Er / Sie wird schon seinen Grund haben!“
Doch hiermit nicht genug. Es gibt noch eine Steigerungsform. Der perverse Narzisst geht einen Schritt weiter und es artet in Gewalt aus. Hier handelt es sich um seelische Gewalt, die leider in der Gesellschaft noch immer nicht als ANGRIFF oder STRAFTAT erkannt wird. Das Wort “pervers” in diesem Zusammenhang zu verwenden, dagegen sträubt sich auch das Fachpersonal wie Psychater, Psychotherapeuten, Anwälte, Richter etc…
Narzissten versuchen systematisch den Anderen kleinzumachen, zu schwächen und ihnen jegliche Mängel, Psychosen und andere Charakterschwächen einzureden. Da werden alle Schattenanteile des Angreifers auf das Opfer projiziert – und hier spreche ich von einem Aggressor. Der Aggressor hat das Ziel, das Opfer zu vernichten! Es geht nicht um Liebe! Je mehr man vergibt, je mehr man ihm Großzügigkeit, Verständnis und seine Unterstützung schenkt, um so mehr wird er auf dem Menschen herumtrampeln und an ihm seine Wut auslassen.
Verbale Entgleisungen, körperliche Übergriffe bleiben dann keine Seltenheit. Er wird keine Rücksicht nehmen. Durch die entgegengebrachte Liebenswürdigkeit und die Bereitschaft, die Beziehung aufrechtzuerhalten, weil man ja überhaupt nicht begreifen kann, wie ein Mensch so sein kann, spiegelt man ihm seine eigene Unzulänglichkeit. Dadurch fühlt sich der Aggressor noch kleiner. Je mehr Verständnis man aufbringt, um so aggressiver wird er. Es werden künstlich Situationen erschaffen, die Aggression in Form von Strafe rechtfertigen sollen.
Viele Betroffene haben die Schwierigkeit, nicht zu wissen, wie sie sich verhalten sollen. Dauerhaft stehen sie unter Stress, um die Beziehung bei Laune bzw. in der Ruhe zu halten. Jedes noch so kleine Wort könnte ja zu einer Explosion führen, die auch vor einer Gewalttat nicht zurückschreckt. Um das zu vermeiden, steht der Betroffene dauerhaft unter einer Anspannung, die seelische und körperliche Folgen haben. Um sich aus der Beziehung mit einem perversen Narzissten zu befreien, ist es ratsam die Justiz einzuschalten und sich selbst in Sicherheit zu bringen.
Erst wenn sich die Situation beruhigt hat und Abstand zum Aggressor besteht, wird dem Opfer bewusst, unter welchem manipulativen Einfluss er/sie gestanden hat. Und hier beginnt der eigentliche Verarbeitungsprozess, da die Trauer, Wut, Schuld- und Schamgefühle nun hochkommen und das Gefühl entsteht, ausgenutzt, misshandelt, manipuliert und benutzt worden zu sein.
Was können wir im Umgang mit solchen Menschen tun?
Zu allererst müssen die Anzeichen solch einer Persönlichkeitsstörung früh erkannt werden. Hierbei hilft es, wirklich seiner Wahrnehmung zu vertrauen und genau hinzusehen, mit wem man es zu tun hat:
- Die Person spricht überwiegend negativ von anderen Menschen! Alle sind unfähig und kriegen nichts gebacken.
- Die Person behandelt Kellner, Servicemitarbeiter oder Postboten herablassend und arrogant.
- Unangenehme Gespräche werden abrupt abgebrochen bzw. wird einfach mitten im Satz das Thema gewechselt.
- So gut wie gar keine Anerkennung für die Arbeit / Erfolge des Partners. Im Gegenteil, alles wird schlecht gemacht oder völlig ignoriert.
- Versteinerte Mimik. Lächeln auf den Lippen aber die Augen wirken starr und unbeweglich.
- Die Person meint immer und zu jeder Zeit Zugriff auf andere zu haben. Sie kennt keine Grenzen, keine Uhrzeiten und akzeptiert auch kein Nein.
- Künstliche Freundlichkeit. Jedes Wort wirkt kontrolliert.
- Die Körperhaltung ist angespannt. Und die Atmosphäre, die diese Person erschafft, ist aufgesetzt, verhalten und kühl.
- Die Person braucht ein hohes Maß an Anerkennung. Es fallen Worte und Beschreibungen der Selbstbeweihräucherung. Es ist ihm / ihr sehr wichtig, was andere Menschen über ihn / sie denken.
- Die Grundlebenseinstellung ist eher kämpferisch und verteidigend.
- Die Person weiß immer alles besser und neigt zu Belehrungen.
- Eine andere Meinung wird nicht oder nur mit Widerstand akzeptiert.
- Schwierigkeiten, sich in die Rolle des Gegenübers zu versetzen.
- Wenn andere krank sind, verschwindet die Person oder ignoriert das Geschehen.
- Die Person spricht schlecht vom Ex-Partner und über Kollegen.
- Es sind immer andere an seinem / ihrem Unglück schuld.
- Es wird immer schnell mit Anwalt gedroht. Vornehmlich wird über Einschreiben kommuniziert.
- Die Person hat vermehrt Unfälle und viele Wehwehchen.
- Auffällig sind zunehmender Alkoholkonsum, Drogenmissbrauch oder andere Kompensationsverhalten wie übermäßig viel Sport.
Dies sind einige kleine Anhaltspunkte, auf die man bereits am Anfang einer Beziehung achten sollte! Wenn man seiner Wahrnehmung vertraut, dann erspart man sich eine lange Leidensgeschichte!
Und wer mehr über dieses Thema lesen möchte, hier unser Lesetipp: Die Masken der Niedertracht, Seelische Gewalt im Alltag und wie man sich dagegen wehren kann, Marie-France Hirigoyen, Deutscher Taschenbuch Verlag
Motiv “der Götze des Leidens” aus den Karten der Selbstheilung von Chuck Spezzano.